Entaktogene: Eine neue Klasse von psychoaktiven Substanzen
Von Prof. Dr. med. Torsten Passie
Als Entaktogene wird nach Nichols (1986) eine Gruppe von Stoffen bezeichnet, welche das psychische Erleben in einer besonderen und bisher nicht bekannten Weise beeinflussen und sich aufgrund ihrer pharmakologischen Eigenschaften wie auch ihres psychischen Wirkungsprofils von den Halluzinogenen und Stimulantien klar abgrenzen lassen. Auch die Einflüsse auf die kognitiven Funktionen (Aufmerksamkeit, Denken, Konzentration, Gedächtnis usw.) und die Wirkungen auf das Gehirn sind deutlich anders als diejenigen der Halluzinogene und Stimulantien (Übersicht in Passie et al. 2005).
Die Erstbeschreibung der psychischen Effekte von MDMA lieferten die amerikanischen Chemiker Shulgin und Nichols im Jahre 1978: „Innerhalb des wirksamen Dosisbereiches von 75-150 mg p. o. werden die ersten Effekte schnell bemerkbar, gewöhnlich innerhalb einer halben Stunde nach Einnahme. Von den meisten Individuen wird das Plateau der Wirkungen als nach einer halben bis einer Stunde eintretend beschrieben. Die Intoxikationssymptome verteilen sich dann über die nächsten zwei Stunden; bis auf eine milde sympathomimetische Stimulation, die noch für einige Stunden länger anhalten kann. ... Qualitativ scheint die Droge einen leicht kontrollierbaren veränderten Bewusstseinszustand mit emotionalen und sinnlichen Obertönen hervorzurufen“ (Shulgin & Nichols 1978, Übersetzung T.P.).
In seiner ersten Publikation zur pharmakologischen Charakterisierung der Entaktogene leitet der Medizinchemiker David Nichols (1986) den Begriff Entaktogene wie folgt her: „Diese Substanzen wirken so, dass sie es dem Therapeuten bzw. dem Patienten ermöglichen, den inneren Kern seiner selbst zu berühren und sich mit schmerzlichen emotionalen Aspekten auseinanderzusetzen, die sonst nur schwer oder gar nicht zugänglich sind. Ich halte die lateinische Wurzel tactus für geeignet als Teil des neuen Begriffes, da das Wort ‚Takt‘ eine sensible und behutsame Art der Kommunikation impliziert, die der Entstehung von Abwehr entgegenwirkt. Ergänzt durch die griechischen Wurzeln ‚en‘ (= innen) und ‚gen‘ (= entstehen lassen) entsteht der Name ‚Entaktogen‘ mit der Bedeutung des „Ermöglichens einer behutsamen Berührung mit dem eigenen Inneren“ (Übersetzung T.P.).