Im Folgenden werden in Kürze einige Informationen zur Pharmakologie und den aktuellen Entwicklungen von BOL-148 gegeben.
Wie wurde die Wirkung von BOL-148 (2-Bromo-LSD) auf Cluster-Kopfschmerz entdeckt?
Die Entdeckung von BOL-148 für die Behandlung von Cluster-Kopfschmerzen erfolgte im Jahre 2009 durch Prof. John Halpern und den damals auch an der Harvard Medical School in Boston (USA) tätigen Prof. Torsten Passie von der Medizinischen Hochschule Hannover. Die Idee entstand im Rahmen von Diskussionen über die Wirkung von LSD und Psilocybin auf Cluster-Kopfschmerzen, die seit 2006 an der Harvard Medical School mittels Umfragen unter sich selbst behandelnden Patienten beforscht wurde.
Nachdem eine geplante LSD-Studie zur Behandlung von Cluster-Kopfschmerzen sich aufgrund administrativer Hindernisse als nicht durchführbar erwies, wurde von uns die Idee geprüft, ob nicht-halluzinogene LSD-Derivate für die Behandlung von Cluster-Kopfschmerzen geeignet sein könnten. Aufgrund der breiten Expertise von Prof. Passie, der damals sein umfassendes Buch „The Pharmacology of LSD“ (Oxford University Press 2010) erarbeitete, kam man zu der Idee, BOL-148 für die Behandlung von Cluster-Kopfschmerzen zu probieren.
Die Synthese des seltenen Moleküls wurde durch den deutschen Arzt und Pharmazeuten Dr. Christian Steup (Firma THC Pharm, Frankfurt/Main) 2009 bewerkstelligt. Nachdem die Reinheit der Substanz belegt wurde, konnten in der Schmerzambulanz der Medizinischen Hochschule Hannover - mit Genehmigung der Ethikkommission - von deren Leiter Prof. Matthias Karst einige schwerkranke und therapieresistente Patienten mit Cluster-Kopfschmerz behandelt werden. Diese zeigten nach der Behandlung mit BOL-148 eine durchgreifende Besserung mit langzeitigen präventiven Wirkung, d.h. nach drei Einzelgaben in zehn Tagen traten für einen Zeitraum von 6-30 Monaten keine Kopfschmerzen mehr auf.
Ausschnitte dieser Behandlungen sind in dem Dokumentarfilm von National Geographic mit dem Titel „Inside LSD“ dokumentiert, der sich auf YouTube anschauen lässt.
Im Jahre 2010 hat die Harvard Medical School gemeinsam mit der Medizinischen Hochschule Hannover ein internationales Patent auf die Verwendung von BOL-148 zur Behandlung von Cluster-Kopfschmerzen angemeldet und genehmigt bekommen.
Warum und von wem wurde BOL-148 erstmals synthetisiert?
Erstmals synthetisiert wurde 2-Bromo-LSD 148 von dem bekannten Schweizer Naturstoffchemiker Albert Hofmann, der auch das LSD erstmals synthetisierte und einige Jahre später seine psychischen Wirkungen entdeckte. Dieser war damals auf der Suche nach einem „LSD-Placebo“, d.h. einer Substanz, die wie LSD eine Wirkung auf das Serotoninsystem ausüben, aber keine psychoaktiven Wirkungen hervorbringen sollte. Eine Reihe solcher Substanzen wurde synthetisiert und mit individuellen Codenamen versehen. 2-Bromo-LSD erhielt von der Pharmafirma Sandoz, bei welcher Hofmann damals arbeitete, den Codenamen BOL-148.
Was ist die Halbwertszeit von BOL-148?
Die Halbwertzeit von BOL-148 liegt bei etwa 1,5 Stunden. Die wenigen klinischen Wirkungen dauern 2-3 Stunden.
Was ist über die Bioverfügbarkeit von BOL-148 bekannt?
Diese ist nicht genau bekannt, aber vermutlich vergleichbar mit LSD, das leicht vom Darm aufgenommen wird und keinen großen First-Pass-Metabolismus (erster Abbauschritt in der Leber) aufweist.
Was ist über die Verfügbarkeit von BOL-148 im Gehirn bekannt? Ist es ein PGP-Substrat?
Es ist nicht bekannt, ob es sich um ein PGP- oder BCRP-Substrat handelt, d.h. um eine Substanz die über diese Transporterproteine in das Gehirn gelangt. Die vorhandenen Daten deuten auf einen leichten Durchgang durch die Blut-Hirn-Schranke hin (wie bei LSD).
Ist der Stoffwechselweg von BOL-148 bekannt?
Ja, aufgrund der in 2024 durchgeführten Humanstudien ist der Stoffwechselweg von BOL-148 detailliert bekannt. Chemische Erläuterungen können bei Bedarf angefragt werden.
Mit welchen Rezeptoren interagiert BOL-148?
Es scheint, dass es praktisch keine signifikante Neurotransmitter-Rezeptor-Wechselwirkung von BOL-148 gibt. Es hat anscheinend keine Wechselwirkung mit dem 5-HT2A-Rezeptor, von dem angenommen wird, dass seine Aktivierung die wichtigsten psychoaktiven Wirkungen der serotonergen Halluzinogene (wie LSD und Psilocybin) verursacht. Aus vielfältigen Untersuchungen am Menschen (mit fast 300 Versuchspersonen) während der 1960er Jahre geht hervor, dass BOL-148 selbst in sehr hohen Dosen (bis zu 20 mg intravenös) keine halluzinogene Aktivität aufweist.
Kürzlich wurde festgestellt, dass BOL-148 wie LSD in den Rezeptor passt, aber dass es im Gegensatz zu LSD nicht zu einer Aktivierung der Kaskaden kommt, die normalerweise der Rezeptoraktivierung (wie bei LSD) folgen.
Auch sonst gibt es kaum nachweisbare Nebenwirkungen, wie sie z.B. beim LSD durch eine Aktivierung adrenerger und dopaminerger Rezeptoren verursacht werden.
Was ist der Angriffspunkt für die therapeutische Wirkung?
Das ist bisher nicht genau bekannt. Anfangs gab es Spekulationen über Wechselwirkungen mit dem Serotoninsystem, aber dies kann die langfristigen präventiven Wirkungen bei Patienten mit Clusterkopfschmerz nicht erklären. LSD, das auch bei Clusterkopfschmerz wirkt, hat viele Rezeptorinteraktionen, insbesondere mit Serotoninrezeptoren; BOL-148 aber nicht. Daher wurde uns die Hypothese ins Spiel gebracht, dass BOL-148 durch eine Veränderung epigenetischer Mechanismen, z.B. jene der die Tagesrythmik beeinflussenden „Uhren-Gene“ (clock genes) wirksam wird. Die Epigenetik beschäftigt sich mit der „An- und Abschaltung“ von Genen; so werden z.B. die Gene für die Produktion einiger Hormone erst mit Beginn der Pubertät „angeschaltet“.
Warum wirkt BOL-148 nur einige Monate? Gibt es dafür eine Begründung?
Es gibt Hinweise darauf, dass epigenetische Mechanismen nach einer Weile der Veränderung zu ihrem „Ausgangszustand" zurückkehren" können, wenn der Stimulus (z. B. BOL-148) nicht wieder aufritt. Wenn Cluster-Kopfschmerzen bei Patienten, die mit BOL-148 behandelt wurden, nach einer kopfschmerzfreien Periode wieder auftreten, scheinen erneute Behandlungen die Kopfschmerzen wieder zu beseitigen. Wiederholte Behandlungen funktionieren also. Dies ist auch aus der Umfrage über Behandlungen mit LSD und Psilocybin bekannt (Sewell et al. 2006). Auch diese Tatsache scheint darauf hinzuweisen, dass epigenetische Mechanismen eine Rolle spielen könnten.
Wie häufig sollte BOL-148 in einer ersten Studie an Patienten (Proof of Concept-Studie) eingenommen werden?
Es wurde in der Umfrage von Sewell et al. (2006) festgestellt, dass die vorbeugende Wirkung (von LSD und Psilocybin) dann am stärksten ist, wenn die Substanzen (im gleichen Dosisbereich) dreimal im Abstand von je fünf Tagen eingenommen wurden. Daher wurde unsere Fallserie mit 0,30 µg pro Kilogramm Körpergewicht (pro os) behandelt und die Dosen wurden am ersten, fünften und zehnten Tag verabreicht.
Gibt es Daten zur Anwendungssicherheit (z. B. Auswirkungen auf Blutdruck, Atemfrequenz oder Körpertemperatur)?
Rund 25 Studien an knapp 300 Menschen und die aktuellen Daten der Firma Ceruvia an gesunden Freiwilligen haben gezeigt, dass BOL-148 keine relevanten Wechselwirkungen mit Organsystemen und Vitalfunktionen (Blutdruck, Pulsfrequenz, Atemfrequenz, EKG) aufweist. Aus den Daten geht hervor, dass BOL-148 die menschlichen Organsysteme praktisch nicht beeinflusst und keine Körperfunktionen in relevantem Maße verändert.
Gibt es eine optimale Dosis für die Behandlung von Clusterkopfschmerz?
Unser Dosierungsschema basiert auf den von Sewell et al. (2006) in einer Umfrage zur LSD- bzw. Psilocybin-Selbstbehandlung von Cluster-Kopfschmerz-Patienten ermittelten Vorgehensweisen (dreimalige Gabe innerhalb von 10 Tagen) sowie aus Daten über Nebenwirkungen verschiedener Dosen von BOL-148 am Menschen ermittelten Werten.
Die Daten aus Humanstudien in der Vergangenheit zeigen, dass BOL-148 beim Menschen praktisch keine Nebenwirkungen aufweist, wenn es in Dosen von weniger als 0,35 µg pro Kilogramm Körpergewicht, verabreicht wird. Daher haben wir mit einer Dosierung etwas unterhalb dieses Bereichs (=0,25 µg) begonnen (ca. 2,5 mg bei einem 70 kg schweren Menschen) - und konnten gute Behandlungswirkungen feststellten.
Haben andere LSD-ähnliche Substanzen dieselben Eigenschaften?
Wir haben fast alle LSD-Analoga aufgrund der Datenlage überprüft und sind zu dem Schluss gekommen, dass BOL-148, aufgrund fehlender halluzinogener Effekte und sehr geringer Nebenwírkungen, die unter allen LSD-Derivaten am besten geeignete Substanz ist. Wir wissen auch, dass es bisher keine anderen Derivate von LSD gibt, die weniger Nebenwirkungen (bei relevanten Dosierungen) haben als BOL-148. Aus diesem Grund haben wir BOL-148 ausgewählt.
Gibt es ein Missbrauchspotential bei BOL-148 und unterliegt BOL-148 den Betäubungsmittelgesetzen?
Obgleich die Substanz BOL-148 seit etwa 1956 bekannt ist, wurde niemals ein „Missbrauch“ von BOL-148 berichtet. Durch die fehlende psychische Wirkung ist ein Missbrauch durch Drogenkonsumenten auch in Zukunft nicht zu erwarten. BOL-148 ist daher nicht als Betäubungsmittel eingeordnet und somit den entsprechenden Gesetzen nicht unterstellt.
Wird BOL-148 irgendwo hergestellt und kann man BOL-148 kaufen?Derzeit wird BOL-148 nach unserem Wissen nirgendwo auf der Welt hergestellt. Wir haben das BOL-148 für unsere Heilversuche von einer deutschen Spezialfirma bezogen, die es heute nicht mehr herstellt. Seit 2021 hat ein Sponsor, mit dem wir zusammenarbeiten, den Auftrag für die Entwicklung einer auch industriell anwendbaren Herstellungsmethode von BOL-148 an eine englische Spezialfirma erteilt. Diese hat BOL-148 mittlerweile erfolgreich auf einem industriekonformen Wege hergestellt (GMP-Standard). Die Entwicklung eines solchen Herstellungsweges ist heute bei allen neu zu entwickelnden Medikamenten eine Voraussetzung für jegliche Studien am Menschen. Das hat den privaten Sponsor mehrere Millionen gekostet.
Was sind die aktuellen Entwicklungen?
Nach der Patentierung 2010 hatten wir zunächst selbst ein kleines Startup Unternehmen gegründet, um Investoren für die Entwicklung zu gewinnen. Das ist trotz langer Anstrengungen leider nicht gelungen. Glücklicherweise hat sich in den letzten Jahren ein philanthropisch ambitionierter amerikanischer Multimillionär bereitgefunden die ersten Entwicklungsschritte zu finanzieren. Es ist geplant, dass nach der Etablierung eines industriellen Herstellungsweges, mit dem Reinprodukt BOL-148 die für Versuche am Menschen notwendigen Tierversuche durchgeführt werden sollen. Nach deren Abschluss ist eine internationale multizentrische Studie an Cluster-Patienten vorgesehen. Diese könnte 2020 oder 2021 beginnen.
Gibt es derzeit Studien zu BOL-148?
Es gab seit 2020 einige toxikologische Tests mit BOL-148 an Zellkulturen, die positiv ausfielen. Die für die Anwendung am Menschen bei Medikamenten stets erforderlichen systematischen toxikologischen Studien an Tieren wurden 2022 abgeschlossen. Dabei haben sich keine gravierenden Nebenwirkungen und auch keine Schäden an Organsystemen gezeigt. Im Jahre 2023 wurden dann die ersten Studien an gesunden Menschen durchgeführt, um die Verträglichkeit zu prüfen sowie deren Verstoffwechselung und den Wirkungsverlauf kennenzulernen. Nächste Schritte sind der Abschluss der Untersuchungen an Gesunden und danach die Durchführung einer wissenschaftlichen Phase-2A-Studie an Clusterkopfschmerz-Patienten.
Soll BOL-148 einmal als Medikament auf den Markt kommen?
Sollten die o.g. Studien weiterhin erfolgreich sein, wofür die Chancen derzeit gut aussehen, so könnte es in den nächsten Jahren eine Phase 2A-Studie an etwa 50 Patienten geben. Bei deren Erfolg würde sich eine weitere, noch größere Studie der Phase 3 anschließen, die zur Marktzulassung führen würde. Ein solcher Entwicklungsgang, von der Produktherstellung über die Tier- und Humanstudien bis zur Marktzulassung, dauert in der Regel mehr als fünfzehn Jahre; knapp die Hälfte der Zeit ist schon vergangen…